Saccharose mag zwar die Assistentin des genialen Alchimisten Albedo sein, aber in ihren Forschungsrichtungen könnten die beiden nicht unterschiedlicher sein.
Im Gegensatz zum Studium des Wesens der Alchimie und der Fähigkeit, neues Leben zu erschaffen, ist sie viel mehr daran interessiert, die Alchimie zu nutzen, um bestehendes Leben zu verändern, oder besser gesagt, um dieser Welt Abwechslung und Farbe zu verleihen.
Trotz ihres jungen Alters hat sie bereits einige brillante Ergebnisse erzielt. So konnte sie zum Beispiel die Nektarproduktion von Zuckerblumen um 70 % erhöhen, indem sie sie mit einem speziellen Trank bewässerte. Sie hatte auch ein besonderes Sprühmittel entwickelt, mit dem Dämmerfrüchte einen ganzen Monat lang frisch gehalten werden können, nachdem sie bereits gepflückt wurden.
Selbst Leute, die anfangs ihrer Forschungsrichtung gegenüber eher misstrauisch waren, haben ihre außergewöhnlichen Talente auf dem Gebiet der Alchimie erkannt.
Sie betrachtet dies jedoch nur als zufällige Erfolge auf dem Weg zu einem tatsächlich erfolgreichen Experiment. Ihr wahres Ziel ist viel ehrgeiziger als dieses.
Es ist jedoch ein Geheimnis und auch ihr eigener kleiner Traum.

Die Bio-Alchimie erforscht zahlreiche Fragen, die alle aus Saccharoses Fragen über die Lebewesen der Welt stammen. Diese Fragen wiederum entspringen ihrer unersättlichen Neugier, einer Fähigkeit, die bei ihr weitaus ausgeprägter ist als bei den meisten anderen Menschen.
Beispielsweise wurde Saccharose einst von der Zuckerblume angezogen, die von den meisten Menschen einfach nur als reine Zuckerquelle benutzt wird.
Sie fragte sich: Da ihre Süße eindeutig das am leichtesten erkennbare Merkmal dieser Pflanze ist, sollte das ein Grund sein, ihre Anwendung einzuschränken, wie wir es bisher getan haben? Verdiente sie nicht weitere Forschung? Nach einer sorgfältigen Untersuchung der verschiedenen Merkmale der Zuckerblume entwickelte sie über dreißig verschiedene Aufzuchtpläne zusammen mit zahlreichen Kontrollgruppen, um Temperatur und andere Umweltbedingungen zu berücksichtigen.
Dennoch unterschätzte ihr Experiment immer noch, wie viele Variationen dieser Blume möglich waren. Nachdem das Experiment begonnen hatte, stellten sich Saccharose mehr Fragen als jemals zuvor und die neuartigen Entdeckungen, die ihr das Experiment einbrachte, inspirierten sie zu weiteren Forschungen.
Saccharose ist unfähig, eine Frage zu ignorieren, es macht sie unruhig, impft ihr sogar Schuldgefühle ein, wenn sie sie übergeht. Angespornt durch diese Laune ihres Temperaments wuchs die Zahl ihrer Zuchtpläne letztendlich auf fast dreihundert an.
Das Ergebnis war eine ganz neue Reihe von Zuckerblumensorten: Einige mit dreimal so vielen Blüten, einige mit fünf- oder sechsmal so großen Köpfen, die sogar im Wind schweben konnten und einige mit süß schmeckenden Früchten. Monate des Experimentierens später hatte Saccharose endlich jede einzelne ihrer Fragen zu Zuckerblumen beantwortet. Als sie mit dem Schreiben ihres Forschungsberichts fertig war, ließ sie einen langen Seufzer der Erleichterung los.
Obwohl sie körperlich und geistig erschöpft war, gab ihr der Anblick der vielen Stapel ihrer Forschungsbände zur Bio-Alchimie, die sich über drei Wände des Raumes erstreckten, ein tiefes Gefühl der Freude und Zufriedenheit.

Für die meisten Menschen in ihrer Umgebung wirkt Saccharose einfach nur wie eine ruhige, in sich gekehrte Alchimistin mit wenig Interesse am Leben der anderen.
Tatsächlich ist das genaue Gegenteil der Fall: Saccharose ist fasziniert von absolut allem, was kreucht und fleucht auf der Welt. Sie findet nur, dass die Disziplin der sozialen Interaktion weitaus schwieriger zu beherrschen ist als die der Alchimie.
In der Alchimie reicht das Prinzip von Versuch und Irrtum gepaart mit der Entschlossenheit, die Wahrheit herauszufinden, aus, um schließlich zu einer Antwort zu gelangen. Aber bei zwischenmenschlichen Beziehungen gibt es die zusätzliche Komplikation, dass man Manieren, Stimmungen und andere nicht quantifizierbare Variablen berücksichtigen muss. Zu allem Überfluss scheint es keinen Raum für eine Herangehensweise zu geben, die sich stark auf Fehlereliminierung verlässt.
Heute entschied sich Saccharose, solche Variablen um jeden Preis zu vermeiden und bei ihren vertrauten Methoden zu bleiben, um ihre Neugier zu befriedigen.
Saccharose war zum Beispiel immer neugierig, Dionas Geschichten aus der Taverne Zum Katzenschwanz zu hören. Beide hatten auch noch Tierohren und sie wollte unbedingt wissen, ob sie gemeinsame Vorfahren hatten.
Tatsächlich war dies keine allzu private Angelegenheit und die meisten Leute würden einfach diese Frage stellen. Aber Saccharose war besorgt, dass es sich um ein heikles Thema handeln würde und sie mochte es nicht, wenn Menschen sie auf ihre Ohren aufmerksam machten.
Also griff sie auf die Methode zurück, die sie am besten beherrschte: Beobachtung.
Einen ganzen Monat lang hatte Diona ständig das beunruhigende Gefühl, dass jemand sie heimlich beobachtete. Sie nahm an, dass einer der Tavernenbesucher ihr nachstellte, und war darüber nicht allzu glücklich.
„Ähnliche Gene, aber letztlich andere Abstammung. Die Katzenverbindung verdient noch weitere Untersuchungen. Anmerkung: Es war mir bisher nicht möglich, eine Knochenprobe zu erhalten.“ Dies ist die Schlussfolgerung, die Saccharose aufgrund ihrer bisherigen Ergebnisse in ihrem Notizbuch festgehalten hat. Abgesehen von der Bio-Alchimie hat Saccharose in dieser Episode noch eine weitere Entdeckung gemacht, nämlich, dass sie nach der Katzenohrenbrille, die sie sich nach dem Vorfall selbst angefertigt hat, endlich eine gewisse einzigartige, katzenartige Vielfalt von Niedlichkeit zu verstehen scheint. Sie ist jedoch zu schüchtern, um sie in der Öffentlichkeit zu tragen, und setzt sie nur auf, wenn sie allein in ihrem Zimmer ist.

Alle drei Tage mischt sich Saccharose unter das Volk, um sich ein wenig zu vergnügen. Für sie ist das jedes Mal ein einzigartiges und feierliches Ereignis.
Abwechselnd besucht sie dann immer den Fleischmarkt in Mondstadt, die Abenteurergilde und sogar manchmal die Jäger in Quellingen, um bestimmte Materialien zu erstehen.
„Ha-Hallo, entschuldigung, entschuldigung für die Störung! Ich, also ich wollte nur etwas, etwas ... frisches, ähm ... am besten solche Knochen die ... die noch Blut und etwas Fleisch dran haben.“
Zuerst dachten alle, dass ihr Benehmen schon sehr merkwürdig wäre. Aber je mehr sie sich an sie gewöhnten, desto großzügiger wurden die Leute zu ihr und verwahrten ihr die Knochen, die sie wollte.
Diese Runde war sehr ertragreich für sie. Von den gewöhnlichen Hühner- und Schweineknochen abgesehen bekam sie sogar noch ein komplettes Eidechsenskelett und einen blutigen Hilichurl-Beinknochen.
Seltene Knochen brachten ihre Augen zum Strahlen. Sie bedankte sich bei Katheryne von der Abenteurergilde und verbeugte sich immer wieder.
Solch seltene Knochen befriedigen nicht nur ihre Neugier an der Biologie, sondern geben ihr auch noch neue Ideen zum das Zusammenbauen der Knochen.
Am wichtigsten ist aber, dass Knochen zu sammeln Saccharoses liebstes Hobby ist.
Durch Zufall hörte sie einmal mit, wie eine Mutter mit ihrem Kind schimpfte,
„Wenn du jetzt nicht gehorchst, kommt eine ganz schreckliche, alte Oma zu uns nach Hause und stiehlt dir all deine Knochen aus dem Leib, steckt sie in einen Jutesack und nimmt sie mit.“
Das hatte ihre Neugier nur noch mehr angefeuert. Diese Geistergeschichte existierte bereits, bevor sie geboren wurde.
Dieser Fakt ließ sie aufatmen.
Um keinen Verdacht auf sich zu ziehen, vielleicht auch aus Verlegenheit, tauschte sie ihren schon ganz abgenutzten Jutesack gegen einen Ledersack aus.

Als seine Assistentin tut Saccharose alles, was sie kann, um Albedo zu unterstützen, und obwohl seine alchimistischen Nachforschungen eher in schwierige Gebiete navigieren, findet sie jedes Mal, dass sie noch viel von ihm zu lernen hat.
Nachdem eins von seinen Experimenten, das fünf Tage und Nächte am Stück dauerte, zu Ende ging, bemerkte Albedo, dass Saccharose kurz vor dem Zusammenbruch aufgrund von Erschöpfung stand, und organisierte ihr einen obligatorischen siebentägigen Urlaub.
Saccharose begann ihren Urlaub entschlossen, sich richtig auszuruhen und neue Energie zu tanken, aber vom ersten Tag an hatte sie Mühe, sich an den Urlaubsalltag anzupassen. Da gibt es einfach nichts Neues zu berichten. Es gab nur Lebensmittel und Getränke, die sie vorher bereits untersucht hatte.
Zunächst dachte sie, wie wäre es mit ein wenig Ruhe und Entspannung in der Sonne mit einem guten Buch? Auch hier gibt es nichts Neues zu berichten: Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass dies eines der wirksamsten Mittel zur Entspannung ist. Es gab kein Buch, das sie nicht schon gelesen hatte, und es gab keine Frage dazu, die sie nicht schon hervorgehoben, recherchiert und später zur Klärung kommentiert hatte.
Dann erledigte sie einige Hausarbeiten: Wäsche waschen, Staub wischen, aufräumen. Alles überprüfen. Und wieder, es gibt nichts Neues zu berichten. Es gab nichts über die Tatsache zu bestreiten, dass eine saubere und ordentliche Umgebung dem psychischen Wohlbefinden förderlich ist.
Nachdem ein halber Tag vergangen war, hatte Saccharose nicht ein einziges Mal die Gelegenheit gehabt, „warum“ oder „wieso“ zu fragen.
Sie war gelangweilt, unruhig und ängstlich und sie konnte sich einfach nicht beruhigen.
Sie wollte sich verzweifelt auf ein Forschungsproblem stürzen. Es spielte keine Rolle, was es war: Sie hätte gern auf der Terrasse die Topfpflanzen untersucht, auch wenn nichts dabei herausgekommen wäre. Aber wohin sie auch blickte, das Lampenkraut zu ihrer Linken, die Zuckerblume vor ihr oder die Cecilia zu ihrer Rechten, alles, was sie vorfand, waren Dinge, die sie zuvor bereits gründlich erforscht hatte. Am nächsten Tag meldete sie sich gleich morgens im Labor.
„Den ganzen Tag lang gibt es nichts zu erforschen und nichts infrage zu stellen. Das ist keine Ruhe, das ist Folter!“

Saccharoses Kindheit unterschied sich nicht von der Kindheit anderer Leute in Mondstadt. Sie hatte liebevolle Eltern und hatte ihre besten Freunde um sich. Das Leben war einfach und schön.
Ihre beständigste Kindheitserinnerung ist eine Geschichte, die von einem wundersamen Land erzählte.
In einer sehr entlegenen Ecke von Teyvat gab es eine unentdeckte Sphäre mit den hübschesten rosa Blumen, die bis zu hundert Meter hoch wuchsen, winzig kleinen schwebenden Feen, die über das ganze Feld flogen und sogar Einhörnern. Es war einfach der Gipfel der Perfektion.
Saccharose und ihre beiden besten Freundinnen glaubten, dass sie, wenn sie diesen magischen Ort erreichen könnten, sicher glücklich bis ans Ende ihrer Tage leben würden. Aber die Zeit verging und eine ihrer Freundinnen ging mit ihren abenteuerlustigen Eltern auf eine lange Reise, um nie mehr davon zurückzukehren. Das Versprechen, das sie sich einmal gegeben hatten, sich eines Tages in der Zukunft wieder zu vereinen, bedeutete nun nichts mehr.
Saccharose fühlte sich damals einsamer als je zuvor in ihrem ganzen Leben. Sie hatten noch nicht einmal gemeinsam das Paradies gefunden und schon waren ihre Freunde alle verschwunden ...
Selbst wenn es Vorbestimmung war, dass sie sich nie wieder sehen würden, wollte Saccharose ihre vergangene Freundschaft dennoch auf irgendeine Weise ehren. Damals entdeckte sie die Alchimie in einem Buch, das sie gerade las, und sie wurde sich dessen bewusst: Obwohl sie nie die Chance gehabt hatte, den Eingang zu diesem wundersamen Ort zu finden, hatte sie nun die Gelegenheit, ihr eigenes Paradies zu erschaffen.
Damit begann ihr Studium der Bio-Alchimie, in das sie all ihre Neugier und Leidenschaft einfließen ließ.
Bis heute hat sie die Geschichte jenes Paradieses und ihre vergangenen Freundschaften noch nie jemandem gegenüber erwähnt.
Vielleicht werden ihre Freunde eines Tages zurückkehren, wenn dieser Ort, von dem sie zum ersten Mal in einem Märchenbuch erfahren hatte, endlich, dank ihr, in der realen Welt Wirklichkeit wird.

Wenn es um die Auswahl der Spezies für ihr persönliches Paradies geht, hat Saccharose eine Reihe von strengen Anforderungen. Zunächst wollte sie wie in den Märchen jeder ihrer Pflanzen einen eigenen exotisch klingenden Namen geben. Aber immer, wenn sie eine benennen wollte, war sie völlig ratlos.
Nach ihrer langen Zeit als Wissenschaftlerin bestand sie auf fehlerfreie Logik, selbst wenn es um relativ triviale Dinge wie die Namensgebung von Gegenständen ging.
Zu ihrer ersten Namensliste gehörten unter anderem die folgenden Namen:
„Grasblume“, eine Blume, die auf Grasboden wächst.
„Blumengras“, Gras, das unter Blumen wächst.
„Multigrasblume“, eine Blume, die auf dichtem Gras wächst, und so weiter und so fort.
Selbst solche nicht sehr paradiesisch klingenden Namen wie diese kosteten Saccharose schon viel Zeit, viel länger als die eigentliche Dauer der Experimente selbst.
Schließlich gab sie das Benennen ganz auf und benutzte stattdessen einfach die Probenbezeichnungen aus ihren Forschungsnotizen. Ja, das bedeutete, dass die Namen am Ende viel länger waren, aber ...
Aber wie auch immer, Saccharose ist schließlich die Schöpferin dieses Paradieses, also warum sollte sie die Dinge nicht so benennen können, wie sie es mochte?

Saccharose erhielt ihr Göttliches Auge an einem ganz gewöhnlichen Nachmittag, der wie jeder andere war.
Bereit, ihr hundertneunundfünfzigstes Löwenzahnsamen-Siedeexperiment zu beginnen, goss sie ihre sorgfältig hergestellte alchimistische Lösung in den Kessel.
In kürzester Zeit erreichte die Flüssigkeit im Kessel den Siedepunkt und der ganze Raum füllte sich mit Dampf. Saccharose eilte ängstlich zum Kessel, um zu sehen, welche neue Umwandlung diesmal stattgefunden hatte. In ihrer Aufregung verbrannte sie sich sogar beide Hände am Rand des Kessels.
Zu ihrer Enttäuschung waren die Löwenzahnsamen jedoch wieder einmal nur schwarz verbrannt. Doch dieses Mal war etwas anders als zuvor: Inmitten der schwarzen Löwenzahnsamen lag ein Göttliches Auge.
Anstatt jedoch die Flüssigkeit auszugiessen und das Göttliche Auge heraus zu nehmen, dachte sie erst einen Moment nach und zündete dann das Feuer wieder an, um den Inhalt des Kessels weiter köcheln zu lassen.
Sie war neugierig, welche weiteren Reaktionen zwischen Löwenzahnsamen und Göttlichen Augen auftreten könnten.
Das Experiment endete nach drei Stunden durchgehenden Kochens mit einem Misserfolg. Dennoch war nicht zu leugnen, dass sie aus diesem Experiment eine große Belohnung geerntet hatte. Denn die elementare Energie, die ihr das Göttliche Auge lieferte, würde ihr größter Gewinn für ihre zukünftigen bio-alchimistischen Bemühungen sein.